Call it [em]

„Michael Wollny, Eva Kruse und Eric Schaefer retten den deutschen Jazz durch Spannung und Humor“ Süddeutsche Zeitung

Deutscher Jazz in aller Welt? Mangelware! Außenhandelsbilanz total negativ. Aus deutschen Landen frisch in den Player? Nicht mal im Binnenmarkt, im Radio wenig, live auch nicht so richtig. Dafür Jazz Festivals satt. Deutsche Musiker auf Festivalbühnen im eigenen Land? Kaum! Das JazzFest Berlin, immer noch finanziell gut ausgestattet, präsentiert zu seinem 40. Jubiläum 27 Gruppen, davon kommen ganze 3 ½ aus Deutschland. Dabei wurde und wird improvisierte Musik nirgends auf der Welt so gründlich gefördert wie in Deutschland. Immerhin 50 Jahre lang. Tatsache aber auch: Ziemlich erfolglos. Nirgends ist die Außenwirkung derart mau. Wenige Namen von internationalem Format: Mangelsdorff, klar, in Kritikerkreisen. Joachim Kühn, ja, in Frankreich. Passport, die einzige international wirklich erfolgreiche Band aus Deutschland, aber das war in den 70er Jahren. Heute haben wir den guten Till Brönner, aber der ist auch nur im deutschen Feuilleton eine internationale Attraktion. Brötzmann noch und Der Rote Bereich auch. Immerhin, die deutsche Jazz Avantgarde ist international gefragt. Derweil leistet sich die Stadt München, bei gebeuteltem Kulturhaushalt, ein Internationales Symposium zu Improvisierter Musik mit drei Konzerten und 18 Musikern. Ohne deutsche Beteiligung. Schlimmer geht’s nimmer.

Der International Downbeat Critics Poll 2004 zählt nur Barbara Dennerlein und den in Deutschland unbekannten Axel Dörner zu den „rising stars“ und das schon seit Jahren. Ansonsten werden deutsche Jazzmusiker auf der internationalen Bühne nicht wahrgenommen. Aber warum sollten sie auch, werden sie in ihrer Heimat ja auch nur unter ferner liefen gehandelt.

Frankreich, Italien, Schweden, Norwegen – die machen’s vor: Massenweise international beachtete Jazzer. Haben die mehr oder verkaufen sich die einfach nur besser? Von der reinen Lehre kann nur runterbeißen, wer sie an den Mann zu bringen versteht. Schließen sich Qualität und Business eigentlich gegenseitig aus?

Der ACT Labelchef Siggi Loch hat es den erstaunten Studenten verschiedener Musikhochschulen immer wieder vorgehalten: „1. Die Gesetze des Showbusiness gelten auch für den Jazz. 2. CDs werden ausschließlich für den zahlenden Musikfreund gemacht. 3. Jeder Musiker muss es auch lernen, sich und seine Kunst zu verkaufen.“ Wer sagt es dem Nachwuchs sonst noch in dieser Deutlichkeit? Dabei gibt’s jede Menge Potential im „Young German Jazz“. So der Titel einer neuen Serie bei ACT. In unregelmäßigen Abständen sollen junge deutsche Talente veröffentlicht und aufgebaut werden, bewusst und systematisch. Aber ein Label kann die Förderung so vieler wunderbarer Talente nicht allein leisten. „Young German Jazz“ ist ein Beispiel, das Schule machen soll. Vor allen anderen sind die Veranstalter öffentlich geförderter Jazz Festivals aufgerufen, sich Ihrer Verantwortung bewusst zu werden und – ohne staatliche Quoten – den nationalen Talenten eine faire und dauerhafte Chance im internationalen Vergleich zu geben.Den Auftakt des „Young German Jazz“ bei ACT macht ein Pianist. 26 Jahre, mit etlichen Belobigungen im Rücken und als Geheimtipp allenthalben hoch gehandelt. Michael Wollny heißt der Knabe, [ em ] das Trio mit Eva Kruse und Eric Schaefer.

Da wächst etwas zusammen, was aufhorchen lässt, Bayern, Brunsbek und Berlin. Michael Wollny stammt aus Unterfranken. Studium in Würzburg, BuJazzO, diverse Preise, CDs mit Hans-Peter Salentin und Hubert Winter, Trio mit Stephan Schmolck und Heinz Sauer – auch so einer, der eigentlich ein internationaler Star sein müsste! Nordlicht Eva Kruse hat Kontrabass studiert, erst in Berlin, dann in Schweden. Spielt mit Firomanum, Soap oder dem Arne Jansen Trio, ist unterwegs zwischen Elektronik und Akustik, zwischen Göteborg und Weilheim.

Eric Schaefer, Schlagwerker zwischen Jazz, Neuer Musik und Avantgarde, wirkt spielend oder komponierend mit bei Demontage, Nickendes Perlgras, Johnny LaMarama oder dem Rosa Rauschen. Perkussive Poesie abseits ausgetretener Pfade mit Präzision und Phantasie.

U 30. Ein Pianotrio auf Nebenwegen, immer ein bisschen in Schräglage, auf einem groove-orientierten Trip weg vom Mainstream. Urbanität Marke Hauptstadt-Jazz. Referenzen freundlichst einzuholen im Roten Bereich oder beim Rosa Rauschen. Anleihen beim Hip-Hop, auch mal ungerade, freak und frei. Interaktion ist wichtig, aufeinander Hören, akute Reaktion in Mikrosekunden, so dass bei aller Freiheit die Richtung stimmt. Tempo dazu, Stillstand ist Rückschritt. Nervöse Bewegung, hyperaktive Hektik, drei atemlos getanzte Derwische auf der Überholspur, polytonale Klangwolken und perkussive Geräuschattacken. Licht und Schatten! Geht auch mal langsamer, aber nur, wenn’s dunkel wird. Düstere Morbidität wie ein flackernder alter Schwarz-Weiß-Film. Lola rennt. Quer durch Metropolis. Call it [ em ]!

Michael Wollny / piano
Eva Kruse / bass
Eric Schaefer / drums

Recorded and mixed by Ake Linton at Bohus Sound Recording, February 9 – 10, 2004
Mastered by Klaus Scheuermann
Produced by [em]

Veröffentlichung: 01.01.2005